Europa

EUROPA, DEZEMBER 2015

Modelle sind immer weiblich. Nach dem Wildwuchs von Nacktheit und Pornographie, zuerst in der Fotografie und dann im Internet, ist es heute schwer, einen Akt zu zeigen. Die Malerei der alten Schule hatte das noch gekonnt, die Moderne dachte nach, und erst Künstler wie ich schaffen einen neuen Weg. Den Ersten der Tod, den Zweiten die Not, den Dritten das Brot.

Meine Kindheit und Jugend waren geprägt von konzentrierter Intelligenz auf das Zeichnen und Malen. Als ich ein Kind war, stellten die Menschen Fernseher in ihre Wohnzimmer. Bei uns zuhause wurde das Blumenbild nicht einmal zur Seite gehängt, der Fernseher stand einfach davor! Der Flachbildschirm von heute ist nicht besser, doch nun hängt er an der Wand, und demonstriert, dass ich schon seit 30 Jahren am neuen Bild arbeite, lange vor Apple und Co.

Das akademische Studium zum Künstler war überschattet von der Unmöglichkeit, ein Bild zu malen. Die Fotografie bot einen rettenden Ausweg, nicht mehr nur als Quelle der Komposition und Vorlage zum Abmalen, sondern als bildnerischer Endstand, Kunstträger und Marktwert zugleich. Heute, mit den Mitteln der digitalen Bildarbeit, ist sie die neue Schule, das neue Bild!

Frauen zu malen war schwer. In der Kindheit gab es mal eine Uschi Glas oder die langen, schwarzen Haare von Winnetou. In „Rot 750“ und „Jesus Österreich“ aus dem Jahr 2000 erscheint erstmals ein Mädchen am Plafond des Ateliers. Die weibliche Form des Mädchens erweitert, verstärkt, verdoppelt oder prüft die weibliche Form des Atelier-Modells.

„Rot 750“, 2000

Im Jahr 2015 liegt das Mädchen im Atelier, sie füllt den Raum, das Bild. Mit Ölfarbe auf Leinwand, also den maltechnischen Mittel der alten Schule, schließt sich ein Kreis in der Kunstgeschichte, und bleibt doch offen.
Wenn ich mit dem Mädchen arbeite, dann ist sie nicht nur mein Modell, sondern viel mehr meine Partnerin. Den Modellanteil in der Malerei hat das Foto übernommen. Malerei heute verwendet kein Modell, Malerei heute loadet down und malt ab. Die Malerei wird noch vom Körper her gestellt, aber das Modell liegt nicht nur da, es performt und spielt.

Valerie“ (2014) zeigt ein junges Fotomodell in ihrem Fach, mit Makeup und Kleidung. Dieses Bild hat die kurze Laufzeit einer Werbe- oder Presse-Fotografie. In späteren Bildern wird dieselbe junge Frau in der Rolle von Europa „getarnt“
. Sie schwebt hoch oben über der Technik, die sich als Minotauros ausgibt, oder als Red Bull, um das jüngste VW-Opfer Ducati nicht anzuführen. In weiteren Bildern übernimmt der Mototaur den Titel „Monster“.

„Valerie I“, 2014

Für „Europa auf Minotaur“ (2015), das den Modus eines Pirelli-Kalenders der letzten Jahre ironisiert (nacktes Mädchen — Motorrad), suchte ich zunächst nach einem Weg, den Busen Europas mit bunten Wolken zu verdecken, doch schnell sagte mein Modell, dass sie das nicht haben müsse

. Und ich habe nicht gesagt, dass ich es so malen werde, im Jahr 2015. Der Titel schlägt die erste Brücke, die Arbeit bietet ein neues Europabild an, ohne das alte aufzugeben. Durch „Europa“ (2015) entsteht ein Spiel zwischen den zwei herkömmlichen Posen Europas, der stehenden aufrechten als Idealbild, zu der man aufschauen kann; und der liegenden, empfangenden in passiver Verfügbarkeit. Die Bedeutung Europas bleibt in der Schwebe, gezeigt wird eine neue/alte Doppelnatur aus der Verbindung von Körper und Geist (Bücher….).

„Europa auf Minotaur“, 2015

„Europa“, 2015

Mein persönliches Interesse an Nacktheit ist gering. Auf einer Skala von Wintermantel bis hin zur Nacktheit ist mir die Vorstellung von Polyamid über Haut am liebsten. Die Schönheit der Form, verdeckt durch eine transparente Hülle, ist wie Malerei, die schöner sein kann als Natur. So ist es zu verstehen, warum das Mädchen in „Europa auf Minotaur“ Nylons (Polyamid) trägt. Die Ölfarbe verdeckt/dekonstruiert das Polyamid-Gewebe der Fotografie, die Wolkendecke wird zu einem Himmelszelt, besser als jede andere Kleidung, besser als Mode, weil nicht verankert in der Zeit. Nach der Pornografisierung des Alltags zu verstehen, dass der nackte Körper immer noch eine Grundlage malerischen Form- und Weltverstehens sein kann, das ist heute wieder ein fast physisches Erlebnis — So wie ich es immer liebe, wenn Bilder an die Kunstgeschichte anschließen und gleichzeitig Gegenwart verkörpern!

„Europa“, 2015, Detail 1

„Europa“, 2015, Detail 2

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