Carnacino

 

 

CARNACINO

 

…ich könnte nicht sagen, welches das beste ist. Alle Carnacinos (das Rechtschreibprogramm möchte in Cappuccinos ausbessern) sind großartig. Jede Variante. Gemalte Gesichter, geformte Körperteile oder verbildlichte („hybridisierte“) Ganzkörper 3 D prints sind die unterschiedlichen Modi der Erscheinung von Personen, ein Wort das von der Theatermaske herkommt, und ihrer Gestalt im neuen Bild einem laokoonischen Körpersee, den du kontrollierst wie der Kraftwerksingenieur seinen Stausee. Man glaubt, dass alles auf der Bühne flüssig ist, auf etwa 35 Grad erwärmt,

jenerTemperatur, in dem der Schwimmer glaubt, zu schweben, weil es kein Temperaturfälle zum Inneren gibt. Wie immer spielt das Modell mit dem Betrachtenden, und offeriert zugleich die unterschiedlichsten Modi der Bildlichkeit. Modifikationen des Fiktiven und der Erfahrung der Ent-Täuschung, wie sie auch (immer schon) dem Bild zugeschrieben wurden – also ein ebenso Verstellendes/Verstelltes wie Sich-zeigendes und Wahres Offenlegendes (ecce homo, ecce carne). Man kann jederzeit grinsen, wie du heute geschrieben hast, zur Situation passend, wenn es günstig ist, in dieser Maske zu spielen, von mir aus auch zu „sein“. Das hat schon der Belting gesagt : Unsere Gesichter können sich jederzeit in Masken verwandeln oder verschließen.“ Die Körper auch. Ein verbildlichter 3 D print Körper von Dir verweigert seine Lesbarkeit auch, eben durch quasi-gipsartige Ganzkörpermaskierung. Andererseits erleichtert die Modellhaftigkeit eines 3 D Lois-Homunculus/Loisunkulus durch Konzentration und Abstrahierung jede Form von Erzählung des „verkörperten“ Künstlers. „How glad I am to be superhuman“. Es bleibt uns sowieso nicht erspart, dass Wahrnehmung vor dem Denken stattfindet. (Was wissen und was sehen wir!? ) In diesem Zusammenhang von Zeigen und Sehen geht es Dir dann letztendlich immer um Schönheit, auch um Macht, sowieso aber nicht um Wahrheit, auch nicht um Lüge, das wäre ja obszön in seiner Altvaterigkeit. Auf der Materialebene ist die Serie sowieso eine tolle Sache hat die neuzeitliche Kunsttheorie der momentgebunden Statue noch jede Darstellung eines Ereignisses (historia) abgesprochen, weil nicht Eigenschaft des Skulpturalen, konkreter des momentgebundenen Standbildes, und nur der Malerei erlaubt, bildlich zu erzählen, war es ausgerechnet das Gipsrelief als Hybrid, das Geschehnisse darstellen durfte, auf Grund der formalen Nähe zur Malerei. Das war dann erst Berninis Apoll und Daphne, die als Skulptur der Metamorphose Zeit und Erzählung im Kunstwerk verknüpfen konnte, als neues Paradigma [….].

Weibliche gipsige Raumkörper verschlungen im Raummodell…..und die Materialfrage?

Der Zusammenprall zwischen Chaos und Ordnung, der sich im Gipskristall niederschlägt = Was kristallisiert sich heraus im Bild, auf der Metaphern-ebene?

Die Falten der Gipsvorhänge („le pli“) im Modell ex-pli-zieren / ex-pli-zit den Vorgang der Faltung und Entfaltung auf der Bühne.

Im Aquarell wiederum bewundere ich, wie immer, die sonst nicht erreichbare Transparenz, den Fluss der Farbtöne, den glasigen „Duft“, der die Gegenstände spiegelt, entstofflicht und alles Schwere aufhebt. Das muss man mögen, ich mag es. „Fließende“ Aquarelle verlangen schnelles und sicheres Arbeiten. Sie dulden kein zögerndes Durchbilden von Details, kein nachträgliches Anbringen von Retuschen. Man aquarelliert, möglichst ohne Vorzeichnung (!!!). Jeder Bildteil muss sofort „sitzen“. Die fließende Maltechnik zwingt zu einer gewissen Großzügigkeit. Du kannst alle diese Sachen. Woher kommt das Aquarell. Vom Reisen. Mit Hilfe leicht transportierbarer Farben und kleiner Skizzenblöcke hielten v.a. Engländer ab der zweiten Hälfte des 18. Jh. ihre Reiseeindrücke fest wie heute mit einer Kamera!


mag. dr. ortrun veichtlbauer